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Die digitale Generation

„Die neuen Jobs werden ein deutlich höheres Anforderungsniveau haben“

Interview mit Jung-Star Philipp Riederle – Die digitale Generation

Ein 23-Jähriger erklärt alteingesessenen Unternehmen die (digitale) Welt. Im Gespräch mit Philipp Riederle, Jungunternehmer und Buchautor, über Vorurteile und Vorteile der Digital Natives.

Herr Riederle, Sie repräsentieren die Digital Natives. Wie tickt diese Generation, und was ist ihr wichtig?

Per Definition zähle ich noch zur Generation Y (1980–1994). Diese und die Generation Z (1995–2010) fasse ich zur digitalen Generation zusammen. Der digitale Wandel findet für uns nicht statt, wir sind ja damit aufgewachsen – analog kennen wir gar nicht. Wir erleben eher einen Wertewandel und natürlich den demografischen Wandel.

Gibt es denn neben Bits und Bytes noch Werte?

Wir werden ja des Öfteren als oberflächliche Smartphone-Generation betitelt die nur noch «Wischbeziehungen» auf Instagram, Snapchat & Co. führt, die ständig in der ganzen Welt rumreist und sich nicht binden will. Aber die manifesten Werte, die z.B. in Jugendstudien herausgearbeitet wurden, sind genau gegenteilig zu vielen Vorurteilen. Dort geben wir nämlich «Heimat» und «persönliche Bindungen» als besonders wichtige Werte an.

Es heißt Social Media – aber werden wir hierdurch nicht alle desozialisiert?

Aktuelle Studien zum Thema «Wie wir soziale Medien oder soziale Netzwerke nutzen» kommen zu dem Ergebnis, dass wir digitale Technologien nutzen, um uns schneller, auch als Gruppe, zu verabreden. Und damit können wir viel mehr reale Zeit zusammen verbringen. Mit Freunden und Bekannten können wir in Echtzeit Kontakt halten.

Schneller, komplexer, vernetzter – wie wirkt sich das auf unsere Lebensqualität aus?

Alle 18 Minuten schauen wir aufs Handy – meine Generation sogar alle neun Minuten. Zur Medienkompetenz gehören auch Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. Checke ich nur ein- oder zweimal pro Tag meine Mails oder lasse ich mich von jeder Push-Nachricht ablenken? Deswegen ist die Technologie nicht gut oder böse. Technologie kann mir viel Zeit schenken oder rauben – letztendlich entscheide ich selbst darüber.

Die digitale Entwicklung schreitet insgesamt rasant voran. Wie leben wir in zehn Jahren?

Die Technologieentwicklung wird sich wohl am Moore’schen Gesetz orientieren, das von einer Verdopplung der Leistungskapazität alle zwei Jahre ausgeht. Die Transformation auf dem Arbeitsmarkt erleben wir ja schon seit Jahren – durch Automatisierung fallen viele Berufe weg, aber es entstehe auch neue. Die Digitalisierung wird meiner Meinung nach krasser zu Buche schlagen. Denn künstliche Intelligenz und immer cleverere Algorithmen werden auch Jobs im Service- und Dienstleistungssektor überflüssig machen. Einige Studien prognostizieren, dass 40 bis 60 Prozent der Berufe ganz einfach verschwinden.

Was kann die Gesellschaft tun, um den Wandel in eine digitale Welt zu meistern?

Die grosse und entscheidende Herausforderung wird sein, dass wir es als Gesellschaft schaffen, Bildung und Kompetenzen zu reformieren. Nicht nur in den Schulen, sondern auch am Arbeitsplatz. Das Thema wird meiner Meinung nach unterschätzt. Denn eins ist klar, die neuen Jobs werden alle ein deutlich höheres Anforderungsniveau haben.

Was empfehlen Sie Schülerinnen und Schülern von heute?

Lasst euch nicht von den Arbeitsmarktprognosen verrückt machen. Sucht euch eure Ausbildung oder euren Job nicht nach rationalen Gründen. Macht das, was euch wirklich interessiert, für das ihr brennt. Dann gibt es auch keine Berührungsängste mit der dazu passenden Technologie, und lebenslanges Lernen funktioniert aus euch selbst heraus.

Philipp Riederle

Philipp Riederle hat schon aus dem Kinderzimmer ins World Wide Web berichtet. Sein Podcast «Mein iPhone und ich» erreichte gigantisch hohe Downloadzahlen, wodurch er schnell zum gefeierten Internetstar wurde.

Der 23-Jährige hat bereits zwei viel beachtete Bücher über die Digital Natives geschrieben:
«Wer wir sind, und was wir wollen» stand 2013 vier Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste «Wie wir arbeiten, und was wir fordern» erschien 2017.

Riederle beriet bereits über 400 Unternehmen, ist ein gefragter Speaker und studiert derzeit an der Zeppelin Universität Friedrichshafen Soziologie, Politik und Ökonomie.