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Der Wind steht gut für Europa
EIN NEUER ANLAUF ZUR ENERGIEWENDE – Stürmische Zeiten bedeuten meist nichts Gutes, mit den geplanten Megakraftwerken in der Nordsee könnte sich das ändern.
Neben den sonnigen Aussichten der Solarenergie wird die Windkraft ein weiterer Eckpfeiler der Energiewende sein — die nun dringend in grossem Stileingeläutet werden muss. Kam das wahre Ausmass der Energieabhängigkeiten erst in den letzten Monaten so richtig zum Vorschein, sind die negativen Auswirkungen fossiler Energiequellen schon länger bekannt. Erdöl, Gas, Kohle & Co. sind hauptverantwortlich für den Klimawandel. Um den Kohlenstoffausstoss zu minimieren und die Ressourcen zu schonen, wurde der Begriff der Energiewende bereits in den 1980er-Jahren eingeführt — der Traum einer nachhaltigen Energieversorgung. Die Metamorphose hin zur alternativen Energie ist aber noch lange nicht abgeschlossen, wie die stockende Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt. Zwar ist der Anteil erneuerbarer Energien an der globalen Stromproduktion zwischen 2015 und 2022 um 7 Prozent gestiegen, jedoch liegt das Total in Summe erst bei 12 Prozent. In der EU sieht diese Quote mit 22 Prozent (Anstieg um 9 Prozent) etwas ordentlicher aus, muss aber gleichwohl rasant verbessert werden, damit wir die ehrgeizigen Klimaziele erreichen. Vor allem die Nordsee bietet hierfür grosses Energiepotenzial — welches endlich ausgeschöpft werden könnte.
2050: Windkraft-anlage in der Nordsee soll ca. 260 GW produzieren ≙ Strom für ca. 200 Mio. Haushalte
Wind of Change?
Weiche Böden, verhältnismässig niedrige Gewässertiefe und starke Winde: Die Nordsee ist wie gemacht für moderne Windparks. Dank technologischen Fortschritts werden Windturbinen leistungsfähige rund Unterseekabel effizienter, weshalb die Idee von der Nordsee als «grünem Kraftwerk» nicht länger eine Utopie bleiben soll. Eine Gruppe von neun Anrainerstaatenplant bis 2050 eine Offshorewindkraftanlage mit einer Leistung von 260 Gigawatt (GW) — fast fünfmal so viel, wie heute weltweit produziert wird, und genug, um fast 200 Mio. Haushalte in Europa mit Strom zu versorgen. Was nach Gamechanger-Potenzial klingt, könnte genau das sein. Der Wirtschaftshistoriker Nikolaus Wolf ist sicher: «Energie im Überfluss zieht Industrie an.» Eine neue Küstenwirtschaft könnte entstehen: Hiesige Unternehmen, welche früher die Offshoreöl- und Gasindustriebelieferten, haben sich inzwischen auf umweltfreundliche Kunden verlegt. Nordische Länder ziehen vermehrt energiehungrige Batterieanlagen und Rechenzentren an. An der deutschen Nordseeküste ist der Bau von Anlagengeplant, die Ammoniak in Wasserstoffumwandeln, der leichter zu transportieren ist und Fabriken in nahe gelegenen Industrieparks versorgt. Sogar Teile der Stahlerzeugung könnten sich nach Norden verlagern, wenn Wasserstoff Kohle oder Gas im Herstellungsprozess ersetzt. Doch nicht nur Strom und Wasserstoffwerden über die Meeresboden-Autobahn fliessen, auch CO2 findet den Weg dorthin. Das Kohlendioxidschwer dekarbonisierbarer Sektoren kann in erschöpfte Gasfelder gepumpt werden. In Rotterdam soll das Projekt «Porthos» diese Art der CO2-Speicherung (CCS) vorantreiben.
Wenn aus nachhaltiger Transformation echte Zukunftsgestaltung entsteht
«Dogger Bank» – so lautet der grösste Offshorewindpark, welcher vor der Ostküste Englands entstehen soll. Im Vergleich zu herkömmlichen Turbinensollen diese ein Drittel mehr Energieproduzieren und insgesamt 4.5 Mio. Haushalte mit Strom versorgen. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen Unternehmen und Energiekonzernen aus Frankreich, Grossbritannien sowie Norwegen und steht symbolisch für die grüne Aufbruchstimmung auf hoher See. Das Energiesystem der Nordsee könnte also in Zukunft zu einem regelrechten Archipel heranwachsen.
«Dogger Bank» soll 1/3 mehr Energie als herkömmliche Turbinen produzieren
Ambitionierte Unternehmen bringen sich bereits in Position und Investorinnen und Investoren erkennen ihre Chancen. So schliesst beispielsweise der weltgrösste Turbinenhersteller Vestas ein Werk in China und schlägt im Norden auf. Auch das dänische Unternehmen Topsoe gibt an, dass sich seine Aufträge bereits auf 86 GW grüne Energiebelaufen. Wenn die Zusammenarbeit zwischen den Ländern weiterhin gelingt und die Bürokratie das Tempo nicht verschleppt, könnte dieses Vorhaben grüne Unternehmensgiganten in Europahervorbringen. Zudem besitzt dieses mächtige Gemeinschaftsprojekt das Potenzial, als Vorreiter für andere Teile des Kontinents zu dienen — wie beispielsweise die iberische Halbinsel mit ihrem enormen Solarpotenzial.
Die Globalance-Sicht
Die Kapitalmärkte sind der Politik voraus: Im Energiesektor hat sich die Spanne zwischen den Kapitalkosten für Öl- und Gasprojekte (heute rund 20 % p. a.) im Vergleich zu erneuerbaren Energien (heute rund 5 % p. a.) in den letzten fünf Jahren um mehr als 10 Prozentpunkte vergrössert. Dies wiederum führt zu einem historischen Wendepunkt bei den Energieinvestitionen: 2022 wurde weltweit zum ersten Mal mehr Kapital in die Produktion erneuerbarer Energien als in die Förderung von Öl und Gas investiert.
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