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Es geht ohne Kernenergie

Weshalb die Fakten aus Sicht der Politik sowie von Investorinnen und Investoren gegen Kernkraft sprechen

Das Wichtigste auf einen Blick

WORUM ES GEHT

Kernenergie verursacht kaum Treibhausgasemissionen. Deshalb steht ihr Ausbau zur Diskussion. Neue Atomkraftwerke könnten existierende Kohle- und Gaskraftwerke ersetzen, die sehr schädlich fürs Klima sind. Das würde helfen, das Netto-Null-Ziel zu erreichen.

DIE KONTROVERSE

Im Kontext der globalen Energiewende wird das Thema «Kernenergie» kontrovers debattiert: Kann die Versorgungssicherheit auch in Zukunft ohne Kernkraftwerke erreicht werden? Soll sogenannte «Technologie-Offenheit» den bereits beschlossenen Ausstieg aus der Kernkraft aufweichen? Der Ukraine-Krieg hat die Kernenergie auch sicherheitspolitisch in den Fokus gerückt. Während etwa Gaskraftwerke auf stetige Lieferungen angewiesen sind, können Atomkraftwerke über längere Zeit autark laufen. Allerdings ist auch die Kernenergie keine erneuerbare Energie: Sie basiert auf Uran, einem fossilen Rohstoff (welcher oft auch aus autokratischen Ländern stammt). Hinzu kommen diverse weitere gewichtige Nachteile: das Unfallrisiko, die radioaktiven Abfälle und die hohen Bau- und allfälligen späteren Stilllegungskosten neuer Atomkraftwerke. Deshalb halten manche die Kernenergie für einen Irrweg und wollen bei der Energiewende am liebsten ganz auf sie verzichten.

Der Globalance-Standpunkt

Wir erkennen an, dass die Kernenergie einen Beitrag zum raschen Klimaschutz leisten kann. Doch die Realisierung neuer Atomkraftwerke ist problematisch: Die Investitionskosten sind schwer kalkulierbar und die Amortisationsdauer von Reaktoren der heutigen Technologie ist sehr lange. Neue Reaktortypen können diese Probleme potenziell adressieren, sind aber noch nicht marktreif. Und ganz grundsätzlich: Atomstrom ist gegenüber Solar- oder Windstrom, deren Produktionskosten in den letzten 15 Jahren signifikant gefallen sind, nicht mehr wettbewerbsfähig. Globalance vertritt die Position, dass die zukünftige Energieversorgung ohne Kernkraftwerke gelingen kann. Private Investitionen in die Wertschöpfungskette rund um Kernenergie sind aus heutiger Sicht nicht zukunftsfähig.

Zukunftsfähige Energieversorgung ohne Kernenergie?

Namhafte internationale Organisationen zählen die Kernenergie zu den Pfeilern, auf denen ein klimafreundliches Energiesystem in den kommenden Jahrzehnten aufgebaut sein kann. Im Netto-Null-Szenario der Internationalen Energieagentur IEA wird bis 2050 weltweit etwa doppelt so viel Elektrizität in Atomkraftwerken produziert wie heute.

Rechtfertigt der Klimaschutz also den Bau neuer Atomkraftwerke — trotz aller Bedenken, die traditionell mit dieser Technologie verbunden sind? Und wenn ja: Welche Rolle spielen Investorinnen und Investoren dabei? Können wir unseren Kundinnen und Kunden ein Investment in diese Technologie oder eine Uranmine empfehlen?

Pro: Was für die Kernenergie spricht

Die globale Erwärmung ist das weltweit umfassendste und dringendste Umweltproblem. Jede Kilowattstunde klimafreundlich hergestellten Stroms zählt. Deshalb wäre es ein Irrsinn, die bestehenden Kernkraftwerke so schnell wie möglich abzuschalten — an ihre Stelle würden Kohle- und Gaskraftwerke treten und dabei 25- bis 50-mal mehr CO2 ausstossen.

Auch für die Abfallentsorgung wäre damit nicht viel gewonnen. Endlager für die Uranbrennstäbe, die in den vergangenen Jahrzehnten in Atomkraftwerken verwendet wurden, müssen sowieso gebaut werden. Ob sie mit etwas mehr oder weniger Material gefüllt werden, macht keinen grossen Unterschied. Aus diesem Grund halten wir von Globalance es für sinnvoll, die bestehenden Atomkraftwerke dort, wo es technisch möglich ist und den Sicherheitsanforderungen genügt werden kann, so lange wie möglich laufen zu lassen.

Jede Kilowattstunde klimafreundlich hergestellten Stroms zählt.

Unabhängig davon steht zur Debatte, ob zusätzlich auch neue Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Auch dafür gibt es gute Gründe. Der wichtigste: Kernenergie ist wirklich klimafreundlich — sie setzt über den gesamten Lebenszyklus, also von der Herstellung bis zum Betrieb der Anlagen, etwa ein Drittel so viel Treibhausgas frei wie die Solarenergie.

Ein weiterer Pluspunkt: Kernenergie ist unabhängig vom Wetter und von der Jahreszeit verfügbar. Das stärkt gegenüber den erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit und die Effizienz des Stromnetzes – es müssen weniger Batterien zur Verfügung stehen, um etwa Solarstrom, der im Sommer im Überschuss produziert wird, für den Winter zu speichern. Und schliesslich verbrauchen AKW im Gegensatz zu Solar- oder Windparks wenig Fläche.

Contra: die wahren kosten sind zu hoch

Für die Energiewende spielt die Musik nicht bei der Kernenergie — sondern bei den erneuerbaren Energien. Solar- und Windkraft weisen weltweit das grösste Wachstum auf. Das ist schon seit einigen Jahren so und der Trend dürfte sich in den kommenden Jahrzehnten noch akzentuieren.

Ein wichtiger Grund dafür sind die Kosten. Solar- und Windstrom sind über die vergangenen rund 15 Jahre deutlich günstiger geworden. Atomstrom ist demgegenüber eher teurer geworden, weil die heutigen Kraftwerke erhöhten Sicherheitsanforderungen genügen müssen, lange Bauzeiten aufweisen und nur in kleiner Stückzahl produziert werden. Während in den letzten 15 Jahren die Produktionskosten in der Fotovoltaik für eine Megawattstunde Strom um 83% gefallen sind, stiegen die Kosten, um ein Kernkraftwerk profitabel zu betreiben, in der gleichen Zeit um 49% an. Methodische Grundlage dieser Berechnungen sind die «Levelized Cost of Energy». Diese Analysemethode fragt nach dem geringsten Preis für eine Megawattstunde Strom, den Konsumentinnen und Konsumenten oder Unternehmen zu bezahlen bereit sein müssen, damit ein Stromerzeuger profitabel arbeitet. Dabei werden die Bau-, Herstellungs-, Finanzierungs- und Betriebskosten (Öl, Gas, Kohle, Uran) in die Berechnung einbezogen.

Aktuelle Neubauprojekte sind nur schwer zu finanzieren und zu verwirklichen. In England wurde 2018 mit dem Kernkraftwerk Hinkley Point C begonnen. Neu soll die Anlage erst 2030 fertiggestellt werden können. Die Kostenschätzungen sind von 26 auf 34 Milliarden Pfund erhöht worden.

Weiter sind die finanziellen Risiken von Kernkraftwerken nicht konventionell versicherbar. Sowohl in Deutschland (Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft) als auch in der Schweiz (Pool für die Versicherung von Nuklearrisiken) decken diese Pools lediglich die obligatorischen Deckungssummen. Im Fall eines sogenannten Grossschadens muss der Staat einspringen.

Auch die Höhe der Reserven für den Rückbau von Kernkraftanlagen gibt Anlass zu Kontroversen. In der Schweiz werden die geschätzten Stilllegungskosten laufend erhöht. Für die Schweiz erfolgte die letzte offizielle Überprüfung 2016. Zu diesem Zeitpunkt wurden die erwarteten Gesamtkosten für die Stilllegung der Kernkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle auf CHF 23.856 Milliarden geschätzt. Das sind CHF 372 Millionen mehr als ursprünglich beantragt.

Unabhängige Fachleute äussern Zweifel an diesen Zahlen und monieren, dass das Vorsichtsprinzip sowie Laufzeit-, Finanzmarkt-, Bilanz-, Bonitäts- und Vertragsrisiken eine Sicherheitsmarge bedingen, welche deutlich höher als 30% sein müsste. Die Industrie ihrerseits argumentiert, dass die Sicherheitsmarge nicht mehr notwendig sei. Der Bund anerkennt auch diesbezüglich seine Haftung für alle nicht gedeckten Kosten.

Umgekehrt ist es bei Solar- und Windanlagen. Hier nimmt die Bereitschaft zur Finanzierung stetig zu, weil die Projekte überschaubarer sind und sich die Risiken besser einschätzen lassen. Dabei ist zu bedenken: Der Strommarkt ist fast überall stark reguliert und die Rentabilität verschiedener Technologien stark von der Politik einer Regierung abhängig. Dass die Kernenergie bei manchen Wählerinnen und Wählern nicht en vogue ist, hilft ihr ebenfalls nicht.

KLEINE MODULARE REAKTOREN (SMR) — HOFFNUNGSTRÄGER AUF DEM PAPIER

Im November 2023 ist die Hoffnung vieler Kernkraftbefürworterinnen und -befürworter geplatzt (darunter klingende Namen wie Bill Gates und Warren Buffett): In den USA wurde das Vorzeigeprojekt wegen fehlender Wirtschaftlichkeit infolge um 75 Prozent höher geschätzter Kosten gestoppt. Der Plan war, stark verkleinerte Reaktoren zu bauen, die sicherer, skalierbarer und billiger hätten sein sollen. Ihre Rolle wäre, die Zuverlässigkeit und Stabilität der Stromnetze zu verbessern. Kritikerinnen und Kritiker weisen darauf hin, dass viele der grundlegenden Nachteile der Kernkraft auch für kleine Reaktoren gelten (Unfallgefahr, nicht erneuerbare Brennstoffe, ungelöste Abfallfrage). So existieren diese oft genannten Anlagen der neuen Generation weiterhin nur auf PowerPoint-Folien. Ihre Marktreife wird erst nach 2030 erwartet. Sollte der technologische Fortschritt es dereinst möglich machen, die genannten Nachteile zu reduzieren, würde Globalance Pro und Kontra nuklearer Kleinreaktoren neu beurteilen.

In Kernenergie investieren: Was heisst das konkret

Die Möglichkeiten für private Anlegerinnen und Anleger, in Kernenergie zu investieren, sind beschränkt. Die meisten Fonds, die sich dem Thema widmen, besitzen vor allem Aktien von Firmen, die Uran abbauen. Die zwei grössten dieser Fördergesellschaften (Kazatomprom und Cameco) sind in Kasachstan und Kanada domiziliert, zwei wichtigen Standorten in der weltweiten Uranproduktion. Deren Aktien zeigen für 2023 attraktive Renditen. Allein die Andeutungen gewisser Länder, die Rolle der Kernkraft zu erhalten oder sogar zu stärken, hat für diese Preissteigerungen gereicht.

Investments in die AKW-Betreiberfirmen sind vielfach nicht möglich, da einige der grössten Stromversorger, die auf Kernenergie setzen, in staatlicher Hand sind (etwa in China, Indien, Russland, Frankreich und teils in Kanada). An der Börse gehandelt sind die Aktien von AKW-Betreibern nur in wenigen Ländern (darunter die USA, Deutschland, Spanien, Japan, Korea).

Investoren haben mit Aktien von Betreiberunternehmen in der Vergangenheit viel Geld verloren. Beispiele sind Tokyo Electric Power, TEPCO, welche 2011 nach dem Reaktorunfall in Fukushima grosse Verluste verzeichnete, und der französische Versorger Électricité de France, welcher im Jahr 2023 hoch verschuldet verstaatlicht worden ist.

Auch bei den Herstellern der Anlagen ist die Auswahl nicht gross. Viele der Firmen, welche die aktuelle Generation von Reaktoren bauen, sind entweder ebenfalls in Staatsbesitz (Framatome, eine Tochter von Électricité de France) oder werden privat gehalten (Westinghouse Electric Company, GE Hitachi Nuclear Energy). Ähnlich ist es mit manchen Firmen, die an der Entwicklung neuer Reaktoren arbeiten: Auch ihre Aktien werden oft nicht an der Börse gehandelt. Eine Ausnahme ist NuScale Power, eine amerikanische Firma, die seit März 2022 an der Börse notiert.

Schlussfolgerungen für zukunftsorientiertes Investieren

Zukunftsorientierte Anlegerinnen und Anleger werden auf saubere Energie und Energieeffizienz setzen, nicht auf die Kernenergie. Mehr als 90 Prozent der zukünftigen Energie, wird über erneuerbare Technologien bereitgestellt. Der Aufbau dieser Kapazitäten und der dafür notwendigen Infrastruktur ist ungleich wichtiger für den Klimaschutz. Es bieten sich vielseitigere Möglichkeiten, zum Aufbau beizutragen und so zukunftsfähige Erträge zu generieren. Globalance setzt beispielsweise auf Zukunftbeweger-Unternehmen:

ABB — Automatisierung und Elektrifizierung unterstützt die Energiewende

ABB fördert die Energiewende durch Technologien, welche die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit verbessern. Das Unternehmen verzeichnet ein solides Umsatz- und Gewinnwachstum und eine attraktive Dividendenrendite.

Prysmian — Kabeltechnologie für erneuerbare Energien

Prysmian unterstützt den Ausbau von erneuerbaren Energien durch fortschrittliche Kabel- und Verbindungstechnologien. Die Gesellschaft hat einen sehr hohen Auftragsbestand und weist solide Cashflows auf.

First Solar — Solarenergie für eine nachhaltige Zukunft

First Solar trägt als Weltmarktleader mit der besonders effizienten und günstigen Dünnschichttechnologie zur Reduktion von Treibhausgasmissionen bei. Das Unternehmen profitiert von sehr starker Nachfrage und zeigt ein gesundes Umsatz- und Gewinnwachstum.

Ormat Technologies — erneuerbare Energie aus dem Boden

Ormat fördert eine saubere Energieversorgung durch Geothermie, welche eine konstante Energiequelle darstellt. Das Unternehmen weist stabile Einnahmen und langfristige Verträge auf, was zu soliden Margen führt.

The Renewable Infrastructure Group — Stromerträge aus verschiedenen erneuerbaren Energiequellen

The Renewable Infrastructure Group (TRIG) investiert in Europa in erneuerbare Energieprojekte wie Wind-, Solarparks und Batterien und trägt so zur Reduzierung von CO2-Emissionen bei. TRIG erzielt stabile Erträge durch langfristige Verträge und Investitionen in ein diversifiziertes Portfolio erneuerbarer Energieanlagen.

Unsere Position

In der Diskussion um Kernenergie landet man schnell in Grabenkämpfen — die Fronten zwischen Befürworterinnen und Gegnern sind verhärtet, die Argumente oft emotional. Trotzdem müssen wir uns dem Thema stellen, wenn es uns mit dem Klimaschutz wirklich ernst ist.

Lohnt es sich also, in Kernenergie zu investieren? Unsere Antwort darauf lautet aus ökonomischer Sicht klar «nein».

Wir erkennen an, dass die Kernenergie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Doch die Realisierung neuer Atomkraft[1]werke ist problematisch: Die Investitionskosten sind schwer kalkulierbar und die Amortisationsdauer von Reaktoren der heutigen Technologie ist sehr lange. Neue Reaktortypen können diese Probleme potenziell adressieren, sind aber noch nicht marktreif. Und ganz grundsätzlich: Atomstrom ist gegenüber Solar- oder Windstrom, deren Produktionskosten in den letzten 15 Jahren signifikant gefallen sind, nicht mehr wettbewerbsfähig. Globalance vertritt die Position, dass die zukünftige Energieversorgung ohne Kernkraftwerke gelingen kann. Private Investitionen in die Wertschöpfungskette rund um Kernenergie sind aus heutiger Sicht nicht zukunftsfähig.

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