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Interview zur Stadt der Zukunft

Eine Stadt, die Menschen zusammenbringt: Zukunftsforscherin Oona Horx Strathern über neue urbane Konzepte, wirtschaftliche Chancen und warum achtsame Stadtplanung mehr mit Lebensqualität zu tun hat als mit Technik.

Oona Horx Strathern
Oona Horx Strathern ist Zukunftsforscherin mit den Schwerpunkten Stadtentwicklung und gesellschaftlicher Wandel. Sie ist Geschäftsführerin der Horx Future GmbH und Autorin des Buches «Kindness Economy – das neue Wirtschaftswunder». Horx Strathern lebt in Wien, wo sie mit ihrem Mann ein Zukunftshaus entworfen hat, das auf soziale Intelligenz statt auf technologischen Overkill setzt. Mehr Informationen finden Sie unter horx.com.
Oona Horx Strathern, warum fasziniert Sie das Thema Stadtentwicklung?
Ich bin in London aufgewachsen, habe in Dublin, Paris und Hamburg gelebt – aber auch viel Zeit auf dem Land verbracht. Städte sind Taktgeber des gesellschaftlichen Wandels: Hier verdichten sich Entwicklungen, hier wird sichtbar, wie Megatrends unser Leben prägen. Wie wir Städte gestalten, prägt unsere Art zu arbeiten, zu wohnen und zusammenzuleben.
Wie verändert sich die Stadt der Zukunft?
Städte wachsen, aber anders als früher. Statt eines ungebremsten Booms in den Innenstädten gewinnt stadtnahes Wohnen in grüneren, gut angebundenen Lagen an Beliebtheit. Gleichzeitig bleibt die wirtschaftliche Dynamik in den urbanen Zentren – dort entstehen Innovationen, Unternehmen und neue Geschäftsmodelle. Die Herausforderung: Wie schaffen wir Städte, die sowohl wirtschaftlich stark als auch lebenswert sind?
Ein Schlüssel liegt in einer smarten Stadtplanung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Fussgängerfreundliche Viertel, vielfältige Mobilitätsangebote und durchmischte Wohngebiete sorgen für kurze Wege und eine höhere Lebensqualität. Konzepte wie die 15-Minuten-Stadt setzen genau hier an: Sie reduzieren Verkehr, verbessern die Luftqualität und stärken das lokale Gewerbe. Studien zeigen, dass Städte wirtschaftlich profitieren, wenn Menschen zu Fuss oder mit dem Fahrrad unterwegs sind – sie verweilen länger, entdecken mehr und unterstützen Geschäfte vor Ort. Das schafft lebendige Viertel und fördert kreative Geschäftsideen.
Gibt es bereits Vorbilder für diese neue Stadtvision?
Einige Städte setzen mutige Konzepte um. Kopenhagen zeigt, wie eine Stadt lebenswerter wird: Breite Radwege, verkehrsberuhigte Zonen und viel Grün prägen das Stadtbild. Der frühere Bürgermeister des Stadtteils Frederiksberg setzte sich dafür ein, dass alle Anwohnenden von ihrem Fenster aus mindestens einen Baum sehen können.
Paris treibt die 15-Minuten-Stadt voran. Ein Beispiel ist das Viertel Saint-Vincent-de-Paul, wo aus einem ehemaligen Bahngelände ein durchmischtes Stadtviertel mit vielfältigen Angeboten entstand. Barcelona geht mit den Superblocks (Superilles) noch weiter. Mehrere Wohnblöcke werden in verkehrsberuhigte Zonen verwandelt, in denen Autos nur noch mit Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen. So entstehen begrünte Strassenräume, Spielplätze und Sitzgelegenheiten.

Sie sprechen von urbaner Akupunktur – was bedeutet das?
Jamie Lerner, Bürgermeister von Curitiba in Brasilien, prägte den Begriff urbane Akupunktur: kleine, gezielte Eingriffe mit grosser Wirkung. Ein Beispiel sind die Grätzloasen in Wien: Aus Parkplätzen sind Miniparks mit Sitzgelegenheiten entstanden. Was zunächst auf Widerstand stiess, ist heute ein geschätzter Teil des Stadtbilds. Ähnlich funktioniert das One-Minute-City-Konzept in Schweden: Menschen gestalten die Umgebung vor ihrer Haustür aktiv mit – mit Sitzbänken, E-Bike-Ladestationen oder kleinen Grünflächen. Diese schnellen, kostengünstigen Massnahmen zeigen: Veränderung braucht nicht immer grosse Bauprojekte.
Wie werden Städte klimaresilient und umweltfreundlich?
Städte müssen sich an höhere Temperaturen und Wetterextreme anpassen. In Athen gibt es bereits einen Stadtkühlungsbeauftragten, der sicherstellt, dass neue Gebäude nicht zur Überhitzung beitragen. Mehr Grünflächen sind eine Investition in die Zukunft: Sie verbessern nicht nur das Stadtklima, sondern senken auch Temperaturen und schaffen Begegnungsräume. Auch Technologie kann Städte widerstandsfähiger machen, etwa durch intelligente Verkehrssteuerung oder energieeffiziente Gebäude. Entscheidend ist, dass sie den Menschen dient.
Städte bestehen nicht
aus Gebäuden, sondern aus Menschen.
Was können Menschen tun, um ihre Stadt lebenswerter zu machen?
Mehr Eigeninitiative zeigen! Stadtentwicklung lebt von den Menschen. Nachbarschaften können durch gemeinsame Aktionen wie Strassenfeste neue Begegnungsorte schaffen. In der Schweiz fördern Genossenschaften bezahlbaren Wohnraum und soziale Durchmischung. In der österreichischen Stadt Trofaiach gibt es einen Stadtkümmerer, der sich für die Bewohnenden einsetzt. Städte profitieren davon, wenn Menschen sich einbringen.
Wenn Sie Ihre ideale Stadt entwerfen könnten – wie würde sie aussehen?
Ich denke an das Bild, das die Präsidentin der deutschen Architektenkammer einmal beschrieben hat: eine Stadt, in der ein vierjähriges Kind allein ein Eis essen gehen kann. Eine Stadt, in der Kinder sich frei und sicher bewegen können, ist für alle Generationen lebenswert. Städte bestehen nicht aus Gebäuden – sondern aus Menschen. Die Kindness Economy zeigt: Wer in soziale und ökologische Lebensqualität investiert, schafft auch wirtschaftlich stabile Städte. Glücklichere Menschen sind produktiver, engagierter und treiben eine nachhaltige Wirtschaft an. Eine lebenswerte Stadt ist also kein Luxus – sondern eine Notwendigkeit.

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