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«Gemeinsam den Mehrweg gehen» – Interview mit Florian Pachaly
WIE RECUP AUS DER NOT EINE TUGEND MACHT – Im Interview mit Florian Pachaly, dem Gründer von RECUP erfahren wir, wie aus einer Idee der Kampf gegen Einwegverpackungen wurde und warum Purpose das Herz eines Unternehmens ist.
Vor sieben Jahren haben Sie mit der Gründung von RECUP aus der Not eine Tugend gemacht und mit einem innovativen Pfandsystem der umweltbelastenden Einwegverpackung den Kampf angesagt. Wie kam es dazu?
Die Idee hatten Fabian und ich unabhängig von einander während unseres Studiums. Fabian, der in Malmö studierte, hatte im Rahmen eines Uni-Projekts zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Universität die Idee, Einwegbecher abzuschaffen — sein damaliger Professor fand die Idee jedoch „nicht relevant genug” und so hat Fabian für sich das Thema für die Zeit nachdem Studium mitgenommen. Ich hatte die Idee ebenfalls während meines Studiums. Durch Zufall kamen wir damit bei derselben Person an —und so dann schliesslich zusammen — und beschlossen, die Sache gemeinsam anzugehen. Im November 2016 starteten wir mit unserem Pilotprojekt für Mehrwegbecher in Rosenheim. Das System kam bei den 26 Testpartnern gut an und so folgten im Mai 2017 bereits 50 weitere Partner in München. Mittlerweile gibt es RECUP und REBOWL bundesweit an über 21’000 Ausgabestellen und unser System ist die marktführende Mehrweglösung für die Gastronomie in Deutschland.
Welche Herausforderungen haben euch seit der Gründung am stärksten auf die Probe gestellt?
Wir haben erst spät auf Automatisierung und den Ausbau der Prozess-/IT-Landschaft gesetzt. Hier mussten wir viel nachholen. Eine weitere Herausforderung ist und bleibt es, Gewohnheiten zu durchbrechen. Auch wenn das Thema «Pfand» in Deutschland geläufig ist, stellt es sich immer wieder als schwierig heraus, dies ganz einfach auf To-go-Becher und Take-away-Schalen zu übertragen. Daher zeigen wir vermehrt mit Kampagnen und Infomaterial, wie simpel das Mehrwegsystem funktioniert.
Angenommen, ich wäre Besitzer:in eines Cafés, weshalb sollte ich mich neben der Nachhaltigkeitsvorteile für die wiederverwendbaren Becher und Bowls von RECUP begeistern?
Für RECUP-Partner ist das Mehrwegsystem bereits ab ca. 12 ausgegebenen To-go-Getränken im RECUP bzw. ab dem sechsten Take-away-Gericht in der REBOWL am Tag günstiger als das Einwegsystem. Ausserdem werden Gastronomiebetriebe Teil eines aufmerksamkeitsstarken Unternehmensnetzwerks: Bereits 21’000 Partner haben sich deutschlandweit unserer Mehrweglösung angeschlossen und positionieren ihre Unternehmen als modern, nachhaltig und konsumentenfreundlich.
Kund:innen können die Mehrwegbehälter bei jeder Partner-Gastronomie zurückgeben, wodurch ein deutschlandweites und enges Mehrwegnetz entsteht. Das Prinzip von Pfand kennt jede Altersgruppe, es muss nicht erst erklärt werden und es birgt keine Hürden in Form von App-Downloads oder Datenangaben. Jede:r kann mitmachen und Gastronomiebetriebe können somit auf unkomplizierte Weise eine nachhaltige Alternative zu Einwegmüll anbieten.
«Das Prinzip von Pfand kennt jede Altersgruppe»
Florian Pachaly, Gründer von RECUP
RECUP arbeitet mit namhaften Unternehmen wie Ikea, Burger King, Alnatura etc. zusammen. Was war die für Sie eindrucksvollste Erfahrung in der Kooperation mit solchen Big Playern?
Bei manchen der Big Player hatten wir eine sehr lange Anbahnung bis zum Rollout — hier haben sich Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen ausgezahlt. 😉 Eine eindrucksvolle Erfahrung für mich waren zum Beispiel die Werbebudgets zur Einführung und die Reichweite in den sozialen Medien, als wir mit den Kooperationen gestartet sind.
Kürzlich war der ehemalige US-Präsident Barack Obama zu Gast in Zürich und füllte das Hallenstadion. Sie waren Teil des Panels der zukunftsgestaltenden Unternehmer:innen und Führungskräfte. Welche Rolle nimmt „Purpose” für Sie ein und wie können wir den Zweck als Denkmuster ins Zentrum der Wirtschaft rücken?
Wir haben RECUP als wirtschaftliches Unternehmen gegründet, um mit eigenen Einnahmen unseren Zweck der Müllvermeidung zu erreichen. Die meisten Unternehmen wurden initial mit einem klaren Zweck gegründet, von der Herstellung hochwertiger technischer Geräte über die besten Sportschuhe für Leistungssportler bis hin zur sicheren Geldanlage von Menschen, die für die Rente vorsorgen möchten. Voraussetzung für hohe Qualität, Verlässlichkeit und am Ende auch Wirtschaftlichkeit ist eine langfristige Orientierung und Denkweise.
Zunehmend sehen wir, wie dieser Zweck durch den kurzfristig orientierten Zweck der Vermögensmaximierung von Shareholdern unter Druck gesetzt oder komplett ersetzt wird und die Menschen darin als Headcount von Ressourcen bezeichnet werden. Die Qualität geht verloren und externe Effekte des eigenen Wirtschaftens werden nicht beachtet.
Um den ursprünglichen «Purpose» zu wahren, braucht es das Verständnis, dass langfristig hohe Qualität die Grundlage für Vertrauen und damit auch langfristigen Erfolg ist. Einen bewährten Weg gehen z. B. Unternehmen in Verantwortungseigentum, indem sie Stimm- und Gewinnbezugsrechte dauerhaft voneinander entkoppeln. Für mich ist «Purpose» nichts, was man wie ein Nachhaltigkeitsziel einfach auf die Website schreibt. «Purpose» ist Kernbestandteil unseres Tuns, Grundlage für unser Geschäftsmodell und Treibstoff unserer Wirkung.
Denkmuster allein sind nicht genug. Die Wirtschaft besteht aus Menschen, die darin arbeiten. Wir alle verantworten den Erhalt von «Purpose» mit unseren Taten. Und wenn wir nicht das Gefühl haben, dass unser Beitrag zum langfristigen «Purpose» beiträgt, können wir kündigen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist auch das ein mächtiges Mittel, um «Purpose»-Orientierung und nachhaltiges Wirtschaften zurück ins Zentrum der Wirtschaft zu bringen.
«Wir alle verantworten den Erhalt von ‚Purpose’ mit unseren Taten.»
Florian pachaly, gründer von recup
Zu Beginn des Jahres ist in Deutschland die Mehrwegpflicht für Gastronomiebetriebe in Kraft getreten. Eine politische Vorgabe ganz im Sinne der Ressourcenschonung — und sicherlich eine Tempoverschärfung für Ihr Geschäftsmodell. Welche grundlegenden Gesetze bräuchte es Ihrer Meinung nach noch, um Net Zero tatsächlich erreichen zu können?
Um Net Zero zu erreichen, wäre der nächste wünschenswerte Schritt eine Einwegabgabe bzw. letztendlich ein Einwegverbot in der Gastronomie, wie es EU-weit für einige Einwegplastikprodukte bereits seit 2021 gilt.
Ihr habt mir eurer «REvolution» in kürzester Zeit vieles erreicht. RECUP, REBOWL, RE… – was sind eure nächsten Ziele?
Dieses Jahr – nach dem Beginn der Mehrwegangebotspflicht – geht es darum, weiter zu wachsen, Mehrwegprodukte zum Standard zu machen, und darum, das flächendeckende Mehrwegsystem weiterzuentwickeln.
Wer ist Florian Pachaly?
Florian Pachaly wurde am 23.06.1995 in Rosenheim geboren und absolvierte nach seinem Abitur in Rosenheim 2013 ein duales Betriebswirtschaftsstudium. Kurz bevor er sein Studium 2016 beendete, gründete er gemeinsam mit Fabian Eckert RECUP. Heute ist RECUP die marktführende Mehrweglösung für die Gastronomie und deutschlandweit an über 21’000 Ausgabestellen vertreten. Florian Pachaly wurde im Rahmen der German Startup Awards als Social Entrepreneur 2022 ausgezeichnet und in das Programm Obama Foundation Leaders 2023 aufgenommen..
ChatGPT & Co. sind derzeit in aller Munde – KI birgt ein riesiges Disruptionspotenzial. Worin siehst du die grössten Chancen für die Wirtschaft? Und macht sich RECUP bereits die Vorteile künstlicher Intelligenz zunutze?
Start-ups können mit ihren begrenzten Ressourcen ohne Finanzierung viel weiter kommen, indem sie auf die intelligente Unterstützung zurückgreifen. Selbstverständlich finden die bekannten Standard-Tools auch bei uns Einzug. Ich persönlich verfolge ganz aktiv die Entwicklungen und gehe davon aus, dass sich unsere Arbeit intern in den nächsten Monaten sukzessive verändern wird.
Unser Bestreben bei Globalance ist es, ausschliesslich nachhaltig und zukunftsorientiert zu investieren — „mehr als nur Geld bewegen”. Was wünschen Sie sich in der Zukunft von den Finanzmärkten?
Ich wünsche mir günstige Finanzierungskonditionen für diejenigen Firmen, die etwas verändern wollen. Vor allem aber ist es wichtig, Greenwashing nachhaltiger Anlagen zu verhindern, wobei leider zu häufig das Vertrauen der Anleger:innen missbraucht wird und verloren geht.
Wir betrachten Start-ups als Innovationsmotoren. Sie treiben notwendige Transformationen voran und zwingen etablierte Player zum Umdenken. Was würden Sie mutigen Jungunternehmer:innen ans Herz legen?
Mein Tipp: Go where the pain is. In schwierigen Phasen schnell und ehrlich agieren und wichtige Dinge immer direkt angehen — Aufschieben bringt nichts. 😉 Ausserdem: Feedback ist ein Geschenk, insbesondere Kritik — mit regelmässigem, ehrlichem und konstruktivem Feedbacklässt sich sehr schnell Fortschritt erzielen.
RECUP beschäftigt per Ende 2022 mehr als 81 Mitarbeiter:innen in Deutschland.
Ein RECUP kann 1.000 Einwegbecher ersetzen.
Einweg-Getränkebecher und -Essensboxen verursachen 190.000 Tonnen Abfall.
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