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Unberechenbar berechenbar: Trumps Rückkehr ins Weisse Haus
Was bedeutet die zweite Amtszeit von Donald Trump für die Schweiz? Martin Dahinden, ehemaliger Schweizer Botschafter in den USA, analysiert Risiken, Chancen und den Zustand der US-Demokratie.
Martin Dahinden
Martin Dahinden war unter Barack Obama
und Donald Trump Botschafter in Washington
und leitete zuvor die Direktion für Entwicklung
und Zusammenarbeit (DEZA). Heute lehrt er
Politikwissenschaft an der Universität Zürich.
Er hat mehrere Bücher verfasst, darunter eines
über Schweizer Küchengeheimnisse.
Martin Dahinden, die klare Wiederwahl von Donald Trump hat viele überrascht. Was bedeutet dieser Wahlausgang für die Stabilität der amerikanischen Demokratie?
Der klare Wahlausgang in der polarisierten amerikanischen Gesellschaft ist bemerkenswert. Es hat die Risiken von Nachzählungen und Gerichtsverfahren vermieden und zur politischen Stabilität beigetragen. Die amerikanischen Institutionen sind seit ihrer Gründung im Jahr 1789 ausserordentlich robust und haben schon grössere Herausforderungen überstanden. Auch jüngere Ereignisse wie die Unruhen am Kapitol im Januar 2021 zeigen, dass die Institutionen in den USA unter starkem Druck funktionieren. Es gibt wenig Grund zur Sorge, auch wenn Machtmissbrauch nicht ausgeschlossen ist.
Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Lage der USA unter Trump ein?
Die amerikanische Wirtschaft ist widerstandsfähig. Dafür gibt es viele Gründe: technologischer Vorsprung, ein flexibler Arbeitsmarkt, reichlich Energieressourcen und keine demografischen Probleme wie in Europa oder China. Gleichzeitig birgt die Politik Trumps Risiken. Protektionismus, etwa durch angekündigte Zollerhöhungen, und staatliche Eingriffe in Form von Industriepolitik könnten den Welthandel belasten – mit Folgen für exportorientierte Länder wie die Schweiz.
Trump ist nicht nur ein Showman – hinter der Inszenierung steckt ein professioneller Geschäftsmann.
Martin Dahinden
Ehemaliger Schweizer Botschafter in den Vereinigten Staaten
Welche Chancen sehen Sie in Trumps wirtschaftspolitischer Agenda?
Es ist zu hoffen, dass die neue Administration die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz wieder aufnimmt. Diese Gespräche waren in Trumps erster Amtszeit weit fortgeschritten und bieten wirtschaftliche Chancen für die Schweiz. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten.
Verändert sich mit «America First» die geopolitische Ausrichtung der USA?
Trump verfolgt zwei Hauptziele: Erstens will er die USA so stark machen, dass niemand sie bedrohen kann, weder wirtschaftlich noch militärisch. Zweitens will er keine Rolle als internationale Ordnungsmacht spielen. Die Rivalität mit China steht im Mittelpunkt. Der Krieg in der Ukraine passt nicht zu «America First», da er Chinas Position gestärkt hat. In Trumps zweiter Amtszeit könnten sich die USA weiter aus multilateralen Abkommen wie dem Pariser Klimaabkommen oder der Weltgesundheitsorganisation zurückziehen. Ein Risiko für Staaten wie die Schweiz, die auf stabile internationale Regeln angewiesen sind.
Beeinflusst Trumps Politik die Beziehungen der USA zur Schweiz?
Die USA sind für die Schweiz wirtschaftlich und politisch ein wichtiger Partner. Schweizer Unternehmen investieren in den USA jedes Jahr über 300 Milliarden Franken und schaffen mehr als 300’000 Arbeitsplätze. Dennoch ist die Schweiz für die Trump-Administration keine Priorität. Ein pragmatisches Vorgehen ist deshalb entscheidend: Netzwerke aufbauen, Entwicklungen aufmerksam verfolgen und bei Problemen flexibel reagieren.
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Die USA beherbergen acht der zehn wertvollsten Unternehmen weltweit.
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Nur zehn Prozent der Wirtschaftsleistung der USA stammen aus dem Export, was sie weitgehend unabhängig macht.
Wie schätzen Sie die Polarisierung in den USA ein?
Die Polarisierung ist tief und spaltet die Gesellschaft – bis in die Familien hinein. Gleichzeitig bedauern viele Amerikanerinnen und Amerikaner diese Entwicklung, was zeigt, dass der Wille da ist, die Spaltung zu überwinden. Entscheidend wird sein, wie die Demokratische Partei mit ihrer Niederlage umgeht und ob sie ihre Stammwählerschaft zurückgewinnen kann.
Wie beeinflussen die Medien Europas Sicht auf Trump?
Europäische Medien übernehmen häufig die Perspektive demokratisch orientierter amerikanischer Medien wie der «New York Times» oder CNN. Das führt zu einem einseitigen Bild, in dem Trump oft auf einen comicartigen Bösewicht reduziert wird. Seiner Person als Geschäftsmann und Politiker wird das nicht gerecht.
Was zeichnet Donald Trump für Sie aus?
Trump verbindet überraschende Ansätze mit strategischem Kalkül. In der Öffentlichkeit inszeniert er sich bewusst provokativ, um maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen. In Gesprächen zeigt er sich jedoch strukturiert und gut vorbereitet – mit Notizen und gezielten Fragen. Diese Mischung aus Show und Strategie macht ihn zu einer schwer einschätzbaren, aber einflussreichen Figur. Es ist wichtig, seine beiden Seiten zu verstehen, um ihn und seine Politik richtig einzuordnen.
Was erwarten Sie von seiner zweiten Amtszeit?
Trump setzt gezielt auf Unberechenbarkeit – eine Strategie, die er in seinem Buch «The Art of the Deal» als Schlüssel zu erfolgreichen Verhandlungen beschreibt. Überraschungen nutzt er, um neue Spielräume zu schaffen. Entscheidend wird sein, wie schnell und konsequent er seine Pläne umsetzt, bevor die Kongresswahlen 2026 die Mehrheitsverhältnisse erneut verändern könnten.
Für die Schweiz bedeutet das: aufmerksam beobachten, flexibel handeln und die Position als verlässliche Partnerin weiter stärken.
Die USA – Wirtschaftlich führend und innovationsstark
Die USA sind die grösste Volkswirtschaft der Welt, mit einer starken Binnenwirtschaft, umfangreichen eigenen Energiequellen und technologischem Vorsprung, etwa bei KI und im 3D-Druck. Nur zehn Prozent ihrer Wirtschaftsleistung stammen aus dem Export, was sie weitgehend unabhängig macht. Die USA beherbergen acht der zehn wertvollsten Unternehmen weltweit.
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