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Mit echter Zukunftsgestaltung zum Ziel
NET ZERO IST EINES DER WICHTIGSTEN ZIELE UNSERER ZEIT – um irreversible Schäden durch den Klimawandel zu vermeiden. Doch wie erreichen wir den Zustand, wo keine zusätzlichen Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen?
«Ich will Spass, ich geb Gas» lautet ein deutscher Gassenhauer aus den 1980er-Jahren, welcher die Unbeschwertheit besingt. Betrachten wir heute das durchschnittliche Kohlenstoffbudget pro Kopf, müssen vor allem die Enkelkinder der damals tanzenden Babyboomer auf die Bremse treten – möchten wir Net Zero bis 2050 erreichen. Die Notwendigkeit transformativer Ansätze und Investitionen sind deshalb unausweichlich.
Von einem CO2-Budget wird meist nur im Zusammenhang mit Unternehmen oder Ländern gesprochen, doch auch auf die einzelnen Bürger lässt sich diese Maximalmenge berechnen. So veröffentlichte Carbon Brief eine derartige Analyse mittels Emissionsdaten, Bevölkerungsentwicklung und Klimamodellen.
Das Ergebnis als Beispiel: Während dem 1948 geborenen König Charles III. noch ein «CO2-Lebensbudget» von 807 Tonnen für Mobilität, Ernährung, Wohnen etc. zur Verfügung steht, dürfte Enkelsohn Archie nur noch 83 Tonnen emittieren – angenommen der Temperaturanstieg soll auf 1.5°C begrenzt werden.
Damit das Netto-Null-Ziel bis 2050 nicht nur ein wohlklingender Traum bleibt und solche Plan-Budgets nicht überschritten werden, müssen vor allem die Emissionen im Gebäudebereich, im Transportwesen und in der Industrie erheblich gemindert werden.
Net Zero hat seinen Preis
Möchten wir diese ambitiösen Ziele erreichen, muss viel Kapital in die richtige Richtung gelenkt werden. Die Berechnungen von Bloomberg New Energy Finance 2023 lassen deutlich erkennen, welcher Investitionsbedarf in den kommenden Jahren für diese Zielerreichung gedeckt werden muss (siehe Grafik weiter unten). Bereits bis 2030 müssen die jährlichen Investitionen in Bereiche wie erneuerbare Energien, nachhaltige Materialien oder elektrifizierter Verkehr im Vergleich zu 2022 verdreifacht werden. In der Dekade bis 2040 wird das Volumen per anno sogar um das Fünffache auf rund USD 6’900 Mia. gesteigert werden müssen.
Materialumstellung und Closed Loops – ein Duo für die Zukunft?
Während die Energiewende voranschreitet und einen grossen Beitrag zum Netto-Null-Verbrauch leisten wird, sollte sich auch der Fortschritt bei emissionsarmen Materialien und der Kreislaufwirtschaft beschleunigen. Die Produktion, Verwendung und Entsorgung industrieller Materialien wie Stahl, Alu, Zement & Co. sind für fast ein Viertel aller globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Um Netto-Null zu verwirklichen, werden die Länder und Unternehmen sowohl die Einführung umweltfreundlicher Methoden zur Herstellung dieser Materialien als auch die Kreislaufwirtschaft zur Optimierung der Wiederverwendung intensivieren.
Eine Vorreiterrolle könnte Heidelberg einnehmen. Die deutsche Stadt schickt sich an, die erste kreislauffähige Kommune Europas zu werden. Mithilfe des Urban-Mining-Prinzips – eine Art moderner Bergbau – wird das Pilotprojekt «Circular City» vorangetrieben. Durch ein Gebäude-Materialkataster wird der Gebäudebestand der Stadt zum Rohstofflager. Über ein vom Umweltinstitut EPEA entwickeltes Programm wird die materielle Zusammensetzung sämtlicher Immobilien berechnet und erfasst. Bei künftigen Gebäudeabrissen oder -sanierungen sind so Menge und Qualität der wiederverwertbaren Materialien bereits bekannt und können für neue Projekte eingeplant werden. In ganz Deutschland beläuft sich laut EPEA die Rohstoffsubstanz der Gebäude auf 15 bis 16 Mia. Tonnen – das «städtische Rohstofflager» vergrössert sich gar auf 29 Mia. Tonnen, wenn der Tiefbau hinzugezählt wird. Den Kreislauf auf diese Weise zu schliessen, soll kein Einzelfall bleiben. Weitere Kooperationsmodelle sind angedacht.
Das Kapital muss in die richtige Richtung gelenkt werden.
Der Bau muss grüner werden
Bereits in den letzten Jahren sind neue Produktionsmethoden, Technologien zur Emissionsvermeidung und zum Kreislaufverfahren entstanden. Bestehende Unternehmen mussten umdenken und Start-ups konnten sich auf völlig neue Geschäftsmodelle stürzen. So nutzt das Schweizer Jungunternehmen und Spin-off der ETH neustark beispielsweise recycelten Beton als CO2-Speicher und ermöglicht eine deutliche Verbesserung der Klimabilanz von Neubauten – gar von einem «NettoNull-Beton» ab 2025 ist die Rede. Dieser könnte die gleiche Menge CO2 speichern, die bei der Herstellung freigesetzt wird.
Der Markt für CO2-arme Baustoffe verändert sich, so wie viele weitere Sektoren auch. Entscheidend werden neben Pioniergeist verbesserte Finanzierungen, Infrastrukturen und Regulierungen sein, um neue Technologien in grossem Massstab einzuführen – denn so entsteht aus Nachhaltigkeit Zukunftsgestaltung.
Die Globalance-Sicht
Aus Anlegersicht stellt die Dekarbonisierung eine der grössten Anlagechancen der Gegenwart dar. Nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur IEA und Bloomberg New Energy Finance müssen jährlich mehrere Billionen US-Dollar investiert werden, um bis 2050 Net Zero zu erreichen. Die Mehrheit der Finanzierung wird aus dem privaten Sektor erfolgen. Gut 70% davon werden in die Elektrifizierung des globalen Verkehrs und erneuerbare Energien fliessen, gefolgt von Netzinfrastruktur für Stromübertragung und -verteilung, so der jüngste Ausblick von BloombergNEF. Für Anlegerinnen und Anleger ist es jetzt an der Zeit, die Weichen zu stellen und auf Unternehmen, Sektoren und Märkte zu setzen, die von diesen Entwicklungen profitieren. Gleichzeitig gilt es, Anlagen abzustossen, die obsolet zu werden drohen.
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